Zugang zu Social-Media-Konten Verstorbener – Was Erben wissen sollten
Ein Fall aus der Praxis: Wenn das digitale Leben nicht mit dem Tod endet
Die Digitalisierung macht vor dem Tod nicht halt. Fotos, Nachrichten, Videos – unser Leben hinterlässt auch online Spuren. Doch was passiert mit Social-Media-Konten nach dem Tod? Wer erhält Zugriff, wenn ein Nutzer verstirbt? Und dürfen Erben Accounts wie Instagram oder Facebook weiterführen?
Ein aktueller Fall hat diese Fragen in den Fokus gerückt: Die Ehefrau eines Verstorbenen kämpfte um den Zugang zu dessen Instagram-Konto, das nach seinem Tod in einen sogenannten „Gedenkzustand“ versetzt wurde. Der Account war weiterhin öffentlich sichtbar, ein Login aber unmöglich – weder für die Ehefrau noch für den gemeinsamen Sohn. Der Plattformbetreiber verweigerte die Herausgabe der Zugangsdaten. Die Witwe klagte und bekam Recht.
Vertragliche Rechtsnachfolge im digitalen Raum
Soziale Netzwerke bieten ihre Dienste auf Basis eines Nutzungsvertrages an. Stirbt der Nutzer, geht dieser Vertrag mit sämtlichen Rechten und Pflichten auf die Erben über, genau wie bei einem klassischen Kontovertrag. Dies ergibt sich aus § 1922 BGB. Der Tod beendet das Vertragsverhältnis nicht, sondern führt zur sogenannten Gesamtrechtsnachfolge.
Erben haben daher grundsätzlich das Recht, alle vertraglichen Beziehungen des Verstorbenen zu übernehmen – einschließlich digitaler Nutzerkonten, sofern keine höchstpersönlichen Inhalte entgegenstehen. Der Zugang zum Account ist Teil dieses Rechtsübergangs.
Höchstpersönlichkeit oder vererbbares Vermögen?
Plattformbetreiber argumentieren oft mit dem Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen oder dem Schutz der Kommunikationspartner. Tatsächlich schützt das Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG) die Inhalte der Kommunikation, aber nur zwischen Lebenden. Verstirbt der Nutzer, endet auch dieser Schutz.
Das Persönlichkeitsrecht selbst ist nicht unbegrenzt über den Tod hinaus wirksam. Es schützt nicht den Account als solchen, sondern allenfalls einzelne Inhalte. Entscheidend ist, dass der Vertrag mit dem Plattformbetreiber nicht auf die persönliche Leistung des Verstorbenen zugeschnitten ist, sondern eine technische Dienstleistung darstellt und damit grundsätzlich vererblich ist.
Aktive Nutzung durch die Erben zulässig?
Besonders interessant: Das Gericht hat in dem genannten Fall auch die aktive Nutzung des Kontos durch die Erben als zulässig eingestuft. Das bedeutet: Nicht nur das bloße Einsehen oder Sichern von Daten, sondern auch das Weiterführen des Profils – etwa durch neue Beiträge oder Kommunikation – kann erlaubt sein. Voraussetzung ist, dass keine Rechte Dritter verletzt werden und keine gegenteilige vertragliche Vereinbarung besteht.
Das ist ein bemerkenswerter Schritt hin zu einem praxistauglichen Umgang mit digitalen Nachlässen.
Folgen für die Nachlassabwicklung
Für die Nachlassabwicklung bedeutet das:
Social-Media-Accounts gehören regelmäßig zum vererbbaren Vermögen – unabhängig davon, ob sie emotional aufgeladen oder wirtschaftlich bedeutsam sind. Sie sollten daher bei der Nachlasssicherung, Bewertung und Verwertung mitgedacht werden. Gerade in der Testamentsvollstreckung oder wenn mehrere Erben beteiligt sind, ist ein strukturierter Umgang mit digitalen Konten unerlässlich.
Auch Dritte – etwa gemeinnützige Organisationen, die im Testament bedacht wurden – können betroffen sein, wenn wichtige Inhalte oder Kontakte nur über digitale Kanäle zugänglich sind.
Fazit: Digitale Nachlässe sind kein juristisches Niemandsland
Das Urteil stärkt die Rechte der Erben und schafft mehr Klarheit im Umgang mit sozialen Netzwerken nach dem Tod. Es zeigt: Digitale Identitäten enden nicht mit dem letzten Login. Wer heute vorsorgt, sei es durch kluge Testamentsgestaltung, Vollmachten oder die gezielte Regelung des digitalen Nachlasses – kann emotionale und rechtliche Konflikte vermeiden.
Als Testamentsvollstreckerin unterstütze ich Erben, Angehörige und Stiftungen dabei, digitale Nachlasswerte rechtssicher zu sichern und zu verwerten. Denn das digitale Leben verdient auch nach dem Tod einen verantwortungsvollen Umgang.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 30.12.2024, Aktenzeichen: 13 U 116/23