Erbschaft in Gefahr: Post vom Gericht sollte immer gelesen werden

Leitsatz des Beschlusses:
Ein die Erbunwürdigkeit aussprechendes Urteil gemäß §§ 2342, 2344 BGB hat auch dann Bindungswirkung für ein Erbscheinsverfahren, wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt.

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Liegt ein gerichtliches Schreiben im Briefkasten, sollte es auch gelesen werden. Dass andernfalls auch in vermeintlich geklärten Nachlassangelegenheiten ernste Konsequenzen drohen und schlimmstenfalls die gesamte Erbschaft verloren gehen kann, zeigt eine neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

Schlichtes Nichtstun kann schlimme Folgen haben

Wer nicht auf Post des Nachlassgerichts reagiert und amtliche Schreiben unbeachtet lässt, riskiert unter Umständen sein Erbe. Dies hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) am 26. April 2023 im Beschlussweg festgestellt.

Vorausgegangen war das Verfahren über die Anfechtung eines von der Ehefrau verfassten und vom Ehemann mitunterzeichneten gemeinsamen Testamentes, in dem sich die Gatten gegenseitig zu Alleinerben bestimmt hatten. Nachdem der Ehemann gestorben und die in Rede stehende letztwillige Verfügung vom Nachlassgericht eröffnet worden war, hatte die Tochter des Verstorbenen mit der Begründung Klage erhoben, das Testament sei von der Ehefrau erst nachträglich verfasst worden und daher ungültig. Der Auffassung der Tochter zufolge habe die Ehefrau einen Briefbogen mit Blankounterschrift ihres verstorbenen Mannes genutzt und sich auf diese Weise das Erbe erschlichen.

Nachdem die angeschuldigte Witwe auf die Vorwürfe nicht reagiert und sämtliche Gerichtspost unbeachtet gelassen hatte, erließ das Nachlassgericht ein Urteil über die Erbunwürdigkeit der betroffenen Ehefrau und anschließend einen Erbschein, der die Tochter als Alleinerbin auswies. Erst nach dieser Amtshandlung meldete sich die Ehefrau des Verstorbenen bei Gericht und gab an, aufgrund starker psychischer Belastung nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Gatten nicht in der Lage gewesen zu sein, sich mit behördlichen Schreiben zu befassen.

Auch ein Versäumnisurteil gilt

Mit seinem Beschluss vom 26. April 2023 (Aktenzeichen IV ZB 11/22) hat der BGH nun das Ansinnen der Ehefrau des Verstorbenen zurückgewiesen, ein in ihrer Abwesenheit ergangenes Urteil - ein sogenanntes Versäumnisurteil - wäre im vorliegenden Fall unwirksam. Vielmehr stellten die Karlsruher Richter fest, dass eine die Erbunwürdigkeit feststellende Entscheidung gemäß der §§ 2342 und 2344 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) selbst dann in einem Erbscheinsverfahren bindend ist, wenn es sich dabei um ein Versäumnisurteil handelt.

Betroffene in Nachlassangelegenheiten sollten daher unbedingt auf eingehende Gerichtspost reagieren und diese nicht unbeachtet lassen. Wer nach dem Tod eines Angehörigen noch so sehr unter Schock steht, dass er sich außer Standes sieht, behördliche Angelegenheiten selbst zu klären, kann jederzeit selbst einen Anwalt beauftragen oder beim Vorliegen der nötigen Voraussetzungen auf Beratungshilfe zurückgreifen.

Fundstelle: BGH, Beschluss vom 26. April 2023, Aktenzeichen: IV ZB 11/22 - OLG Köln AG Köln