Sittenwidrigkeit – und welche Auswirkungen sie mit sich bringt
Nachlassmanagerin Melanie Loewe gibt Aufschluss über die Sittenwidrigkeiten bei der Testamenterstellung und in welchen Fällen diese als sittenwidrig erklärt werden.
„Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nichtig. Das bedeutet, dass sie von Anfang an als nicht gültig angesehen werden“, führt Nachlassmanagerin Melanie Loewe in die Thematik ein. Auch im Bereich der Testamentserstellung könne es zu einer Sittenwidrigkeit kommen. Sobald der letzte Wille als sittenwidrig erklärt wird, wirke sich diese Tatsache auf die Eigentumsübertragung des Nachlasses bzw. das Erbverhältnis aus.
„Testamente sind immer dann sittenwidrig, wenn Inhalte bzw. Verfügungen des letzten Willens nicht mit den guten Sitten oder dem Gesetz vereinbar sind. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit ist der Zeitpunkt der Testamentserstellung ausschlaggebend“, akzentuiert Melanie Loewe. Eine Sittenwidrigkeit liege grundsätzlich vor, sofern etwas gegen moralische Aspekte oder das Anstandsgefühl verstößt. Demnach sei die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts in der Regel vom jeweiligen Einzelfall abhängig.
Als Expertin hinsichtlich der Themen Nachlassmanagement und Testamentsvollstreckung kennt Melanie Loewe zahlreiche Beispiele von Sittenwidrigkeiten bei der Testamentserstellung. Unter anderem komme es zu einer Sittenwidrigkeit, wenn ein Testament unter Ausnutzung einer psychischen Zwangslage bzw. Beeinträchtigung erstellt wurde. „Ist der Erblasser zum Beispiel geistig behindert oder leicht manipulierbar und ein Dritter nutzt diese Situation aus, um sich als Erbe einsetzen zu lassen, ist das Testament sittenwidrig und somit nichtig“, so die Nachlassmanagerin.
Ein weiteres Beispiel hängt mit der sogenannten „Wiederverheiratungsklausel“ zusammen, die Melanie Loewe ausführend erläutert: „Diese regelt, was mit dem Nachlass passiert, wenn einer von zwei Ehegatten verstirbt und der überlebende Partner anschließend erneut heiratet.“ Wiederverheiratungsklauseln seien zwar grundsätzlich erlaubt, werden allerdings nichtig, sofern der länger lebende Ehepartner das gesamte Erbe verliert und ihm auch der Pflichtanteil verwehrt bleiben soll, falls er erneut heiratet.
„Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil entschieden, dass auch eine Besuchspflicht, die im Testament festgelegt wird, sittenwidrig und somit nichtig sein kann“, erklärt Melanie Loewe und ergänzt: „Im konkreten Fall hatte der Erblasser verfügt, dass seine Enkel ihn zu Lebzeiten regelmäßig besuchen müssen und von der Erbschaft ausgeschlossen werden, sofern sie das nicht tun.“ Eine solche Verfügung im Testament sei allerdings in der Regel nicht zulässig.
Testamente gelten auch dann als sittenwidrig und somit nichtig, wenn sie gegen gesetzliche Verbote verstoßen. So werde eine Klausel beispielsweise unwirksam, sollte die Erlaubnis der Nachlassverfügung mit einer Straftat in Verbindung stehen. Sollte es dazu kommen, dass ein Testament in allen Teilen nichtig ist, greife die gesetzliche Erbfolge. „Sind hingegen nur Teile des Nachlasses sittenwidrig und werden angefochten, ändert sich beispielsweise die Aufteilung des Nachlasses und somit des Erbverhältnisses. Der restliche Inhalt des Testamentes bleibt dann jedoch rechtskräftig“, führt Melanie Loewe abschließend auf.