Im deutschen Erbrecht gibt es die gesetzliche Erbfolge. Sie bestimmt die Verteilung des Nachlasses, wenn keine anderen Verfügungen des Verstorbenen – des Erblassers – vorhanden sind. Mit einem Testament kann man zu Lebzeiten seinen Nachlass regeln und damit die gesetzliche Erbfolge außer Kraft setzen. Allerdings hat der Gesetzgeber dieser Testierfreiheit Grenzen gesetzt (Beschränkung der Testierfreiheit zum Schutz der Familie). Nahe Angehörige haben Anspruch auf einen Pflichtteil, wenn nicht ganz außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Der Pflichtteilsanspruch ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt.§2303 BGB bestimmt, dass der Pflichtteil die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.
Hierzu ein Beispiel: Eine Mutter von zwei Kindern, Jan und Julia, verstirbt. Da sie bei ihrem Tod bereits Witwe war, gibt es keinen erbberechtigten Ehemann. Nach dem Gesetz erben beide Kinder zur Hälfte, also 50 %. Die Mutter hat aber ein Testament gemacht. Dort hat sie verfügt, dass nur Julia erben soll, während Jan leer ausgeht. Jan hat nun einen Anspruch auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, das sind 25 %.
Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch. Jan kann also nicht zum Beispiel die Hälfte des Hauses oder bestimmte Schmucksachen verlangen. Julia bleibt Alleinerbin, muss Jan auf deren Verlangen einen finanziellen Ausgleich im Wert von einem Viertel des Erbes zukommen lassen.
Nur in wenigen Fällen kann der Anspruch entzogen werden (§2333 BGB). Dazu gehören Verbrechen oder schwere Vergehen gegen den Erblasser oder ihm nahestehende Personen, böswillige Verletzung von Unterhaltspflichten oder eine Verurteilung des Berechtigten zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr ohne Bewährung wegen einer vorsätzlichen Straftat.
Auch weit entfernte Verwandte können gesetzliche Erbansprüche haben, wenn keine näheren Angehörige existieren. Das bedeutet aber nicht, dass aus jedem gesetzlichen Erbanspruch auch ein Pflichtteilsanspruch folgt. Der Pflichtteilsanspruch ist in der Familie auf wenige Personen begrenzt.
Es kann im Sinn der Familie sein, auf den Pflichtteil zu verzichten. Ansonsten könnte zum Beispiel beim Tod eines Ehegatten der überlebende Partner gezwungen sein, das gemeinsam bewohnte Eigenheim zu verkaufen, weil Kinder auf Auszahlung ihrer Pflichtteile bestehen. Ein gemeinsames Testament oder ein Erbvertrag der Ehepartner sind geeignet, die Kinder von der Geltendmachung ihrer Pflichtteilsansprüche abzuhalten. Eine sogenannte Pflichtteilsstrafklausel sorgt dafür, dass ein Kind, das beim Tod des ersten Elternteils auf seinen Pflichtteil verzichtet, nach dem Tod des zweiten Elternteils mehr erhält als nur den Pflichtteil.