Rücknahme älterer Testamente aus amtlicher Verwahrung: Widerruf nicht zwangsläufig wirksam

Das Oberlandesgericht (OLG) beschloss, dass ein Testament, welches sich ergänzend auf ein vorheriges Testament bezieht und schlüssig die gewollte Erbregelung erkennen lässt, seine Gültigkeit behält, obwohl das in Bezug genommene Testament aus der Verwahrung genommen und somit eigentlich widerrufen wurde. Was heißt das konkret?

Wann gilt ein Testament als widerrufen?

Amtlich verwahrte Testamente gelten als widerrufen, wenn der Erblasser seinen schriftlich verfassten letzten Willen aus der Verwahrung zurücknimmt. Zu berücksichtigen sind Ausnahmefälle, in denen die Gültigkeit letztwilliger Verfügungen erhalten bleibt.

Rücknahme des Testaments

Änderungen der Lebensumstände und einschneidende Situationen können dazu führen, dass Sie Ihren letzten Willen oder einzelne Verfügungen anpassen wollen. Ein amtlich verwahrtes Testament tauschen Sie entsprechend aus. Ihre Verfügungen aus dem ursprünglichen Testament verlieren dadurch aber nicht zwingend ihre Gültigkeit.

Im vorliegenden Fall bestimmte ein verwitweter und kinderloser Mann eine Alleinerbin für seinen Nachlass. Das Testament gab er im Jahr 2012 in amtliche Verwahrung. 2017 gab der Mann ein neues Testament in Verwahrung und erklärte darin die weitere Gültigkeit des vorherigen Testaments unter Hinzufügung eines Ersatzerben. Zur Wahrung der Übersichtlichkeit nahm er das ursprüngliche Testament von 2012 aus der Verwahrung heraus.

Nachlassgericht erteilt keinen Erbschein

Als der Mann wenig später stirbt, stellt das Nachlassgericht der von ihm benannten Alleinerbin den beantragten Erbschein nicht aus. Es beruft sich auf die Ungültigkeit des aktuell verwahrten Testamentes, da das in Bezug genommene Testament zurückgenommen wurde.

OLG Frankfurt a.M.: Die Verfügung des Erblassers behält Gültigkeit

Das Oberlandesgericht sieht das anders. Es begründet dies zur Gültigkeit der Verfügung folgendermaßen: Zurückgenommen wurde nur das Testament von 2012. Das nicht zurückgenommene Testament von 2017 lässt die eingesetzte Erbin trotz fehlender Namensnennung eindeutig als ermittelte Person aus dem in Bezug genommenen Testament und als Alleinerbin erkennen. Zudem erkennt das Gericht keine widersprüchlichen Verfügungen und keine Hinweise auf eine grundsätzliche Änderung der Wünsche des Erblassers.

Fundstelle:
OLG Frankfurt a.M. Beschluss vom 20.07.2021, Aktenzeichen: 20 W 9/20